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Die "CIC"     - Catholic Integrated Community -
 

Von den "Fünfzig Jahre unterwegs", bin  ich persönlich als Freund ca. 30 Jahre lang, samt - nach und nach - meiner kompletten Familie, mit auf diesem Wege.

Und in 2005 bekamen wir einen "neuen Papst". ;-)

Es ist mir deshalb klar, wie wenig ich das Phaenomen CIC an dieser Stelle beschreiben kann. Als Groborientierung jedoch mag der nachfolgende Aufsatz aus
DIE TAGESPOST © nuetzlich sein. Der Aufsatz wird von mir in Eigeninitiative und freier Eigenverantwortung abgedruckt. Meine Kolorite dienen der besseren Auffindbarkeit meiner Zielpunkte. Die Links im Aufsatz habe ich als Verweise auf jene Stellen in meiner privaten Homepage eingebaut, die sich auf meine eigene Sichtweise - auch bereits 1965 - beziehen.  Und hier geht es zur Villa Cavalletti.
 
 
 

"Ein Ort, von Gott geschaffen, ein unfassbares Geheimnis"

Der lange Weg von der Jugend-Bewegung zur erneuerten Pfarrgemeinde - Die Katholische Integrierte Gemeinde feierte "Fünfzig Jahre unterwegs"
/ Von Guido Horst

FRASCATI (DT).  Wer mit der Katholischen Integrierten Gemeinde ein Fest feiern will, muss sich etwas Zeit nehmen -  entsprechend dem Sinn der biblischen
Worte: "Komm und sieh".  Das erfuhren auch die vielen hundert Feiernden, die vor kurzem im italienischen Frascati zusammenkamen.
   "Katholische Integrierte Gemeinde - Fünfzig Jahre unterwegs" oder "Der lange Weg von der Jugend-Bewegung zur eneuerten Pfarr-Gemeinde" waren der Anlass des Festes.  Mit am Anfang jenes Wegs, zu dem eine kleine Gruppe junger Katholiken aus den geistigen und materiellen Trümmern Hitler-Deutschlands in eine noch ungewisse Zukunft aufgebrochen ist, stand Traudl Wallbrecher, nach den kirchlich anerkannten Statuten die "Vorsitzende des Leitungsteams aller Katholischen Integrierten Gemeinden".  Und wer einer ihrer Einladungen folgt, erlebt nicht das übliche "katholische Wochenende" mit meditativen Seancen und Hagebuttentee.  Sondern er trifft auf Leute, die in einem Neuverstehen dessen, was in der apostolischen Zeit die Gemeinden der Christen waren, ungewöhn-
lich tief an den Wurzeln des Glaubens ansetzen.

 Die Faszination einer Einladung

   Die Albaner Berge bei Rom im schönsten Oktober-Wetter.  Am Rande von Frascati liegt die Villa Cavalletti, einst Sommerresidenz des Jesuitenordens und
seit wenigen Jahren im Besitz der Integrierten Gemeinde.  Hier kamen Mitglieder und Gäste der Gemeinschaft zusammen, um das Fest zu feiern.  Bischof Giuseppe Matarrese von Frascati, in dessen Dom der Festgottesdienst stattfand, ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, die bunte Versammlung selber zu begrüßen, denn so oft kommt es auch nicht vor, dass sich seine Kathedrale mit so viel Menschen aus den verschiedensten Ländern füllt: Nicht nur aus Deutschland und Italien waren sie gekommen, sondern auch aus Ungarn, Österreich, Tansania, den Vereinigten Staaten und Israel, womit sich die Wirkungsgebiete der Integrierten Gemeinde abzeichnen.  Doch dazu später.
   Mit ihrem Amtsbruder aus Frascati feierten Kardinal Joseph Ratzinger und Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt sowie Bischof Christopher Mwoleka aus Rulende in Tansania den Gottesdienst.  Degenhardt war als junger Theologe der Trauzeuge gewesen, als die gebürtige Traudl Weiß 1949 den Rechtsanwalt Herbert Wallbrecher aus Hagen in Westfalen heiratete.  Die Messe fand auch in seinem Andenken statt.  Bis zu seinem Tode im Jahr 1997 hatte Herbert
Wallbrecher wesentlichen Anteil daran, dass sich die Integrierte   Gemeinde innerhalb der Kirche unabhängig von Kirchensteuermitteln frei entwickeln konnte.  Der von Peter Schneider geleitete Chor der Integrierten Gemeinde sang zur Begrüßung das "Locus iste" von Anton Bruckner: "Dies ist ein Ort, von Gott geschaffen, ein unfassbares Geheimnis, er ist nicht zu begreifen."
    In seiner Predigt über das Evangelium von der verschmähten Einladung des Königs zum Hochzeitsmahl sagte Kardinal Ratzinger: "Der König will Hochzeit
machen und lädt dazu ein, zieht uns in sie hinein.  Den ersten von Ihnen ist vor fünfzig Jahren die Faszination dieser Einladung und mit ihr ein Funke der Freude ins Herz gefallen; ein Funke der Hoffnung, der zum Auftrag wurde und der Sie auf den Weg gebracht hat zu diesem Fest Gottes hin.  Daraus ist die Integrierte Gemeinde gewachsen, die ja nichts anderes sein will und sein soll als Weggemeinschaft der Kirche, hin zum Reich Gottes, zur Hochzeit des Sohnes."
    Der Kardinal sprach auch von der Geduld und der Hoffnung, die nötig seien, damit sich die von Gott geschaffenen Orte füllten, aber auch von der "Prügel",
die sich gelegentlich jene einhandeln, die für diese Orte werben.  Ratzinger hatte die Integrierte Gemeinde noch in seiner Zeit als Theologieprofessor in Regensburg kennengelernt.  Es war eine schwierige Zeit.  Gegner, der Integrierten Gemeinde' verleumdeten diese als Sekte.  Auch wenn der damalige Erzbischof von München, Kardinal Julius Döpfner, 1976 in einer Presse-Erklärung feststellen ließ, er sehe die Gemeinde als freie Gruppe in der katholischen Kirche an, womit die Beurteilung als Sekte ausgeschlossen sei, schlug der Gemeinschaft um Traudl Wallbrecher vor allem aus dem Erzbischöflichen Ordinariat in München viel Misstrauen entgegen.
    Dennoch hat Ratzinger, er war inzwischen Erzbischof der Diözese, die Statuten der Integrierten Gemeinde 1978 genehmigt.  Die endgültige kirchliche Anerkennung folgte 1985 und wurde mit Kardinal Friedrich Wetter in Rom gefeiert.  Bis heute ist Ratzinger der Integrierten Gemeinde als Freund und theologischer Gesprächspartner erhalten geblieben.
    Die Theologie der Integrierten Gemeinde hat einen konkreten Ausgangspunkt.  Am Abend vor dem Gottesdienst hatte Traudl Wallbrecher in der Villa Cavalletti vor den Mitgliedern und Gästen - unter ihnen Kardinal Christoph Schönborn aus Wien und Bischof Walter Kasper vom vatikanischen Einheitsrat - darüber gesprochen: "Es begann mit der Erfahrung des Holocaust". 22 Jahre war sie alt, als sie - kriegsdienstverpflichtet in einem Münchner Krankenhaus
- Überlebende aus dem Konzentrationslager Dachau zu pflegen hatte.  Zu Hunderten hatten amerikanische Soldaten im Mai 1945 die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns in das Krankenhaus gebracht. Viele Halbtote und Sterbende waren darunter.  Die Toten stapelte man in der Kapelle
des Hospitals.  In wochenlangen Nachtwachen erkannte Traudl Weiß die unfassbaren Gräuel, für die später die Worte Holocaust und Auschwitz zum Inbegriff werden sollten.  Knapp drei Jahre später legte Traudl Weiß die Leitung des katholischen Heliand-Bundes nieder, die ihr nach dem Krieg übertragen worden war, mehr ahnend als wissend, dass man nicht einfach Vergangenheit restaurieren kann.
   Traudl Wallbrecher suchte etwas Neues - wie viele, die nach dem Holocaust nicht zur Tagesordnung übergehen wollten beziehungsweise konnten. Jahrhunderte hatte das Abendland unter jenem Bund von Thron und Altar so gelebt, dass es sich schließlich das Attribut "christlich" erwarb - bis in seiner Mitte das organisierte Morden am jüdischen Volk begann.  Wie konnte es dazu kommen?  Wo waren die Christen, als in Deutschland die Synagogen brannten?  Prophetische Worte hat Julius H. Schoeps (FAZ vom 1. 7. 1993) aus einem Flugblatt des Jahres 1848 zitiert: "Die Christen, die keinen Christusglauben mehr haben, werden die wütendsten Feinde der  Juden sein... Wenn das Christenvolk kein Christentum mehr hat, dann ihr Juden, lasst euch eiserne Schädel machen, mit den beinernen werdet ihr die Geschichte nicht überleben!" Hundert Jahre später waren diese Worte Wirklichkeit geworden.
   Frau Wallbrecher berichtete im Rückblick auf die vergangenen fünfzig Jahre von einem Zeitpunkt, den die Integrierte Gemeinde heute als den "Durchbruch zum jüdisch-christlichen Denken" bezeichnet. Es war ein junger getaufter Jude, Walter Cohen, der der Gruppe 1953 begegnet war und bereits 1959 starb, dessen Hinweise auf die jüdischen Wurzeln des Christentums ("Jesus war ein Jude, kein Christ"), auf das Alte Testament und den Beginn der Geschichte des Volkes Gottes mit Abraham zu einer Wende in der theologischen Arbeit der Gruppe führten.  Sie lernten daran die Unterscheidung von religiösen und biblischem Glauben und erkannten immer mehr als ihre Aufgabe, das unterscheidend Christliche nicht nur in der Theologie, sondern auch in der Praxis des Lebens sichtbar werden zu lassen.  Die Gemeinschaft neuer Form, die ihre Glaubenspraxis als gelebte Annäherung an die traditionellen Begriffe vom "Leib Christi" und "Volk Gottes" versteht, erhielt dann schließlich Ende der sechziger Jahre über ihre Zeitschrift den Namen "Integrierte Gemeinde".

  Eine Freundschaft mit den Juden

    Der Garten zwischen der alten Villa Cavalletti und dem von der Gemeinde schon teilweise restaurierten mächtigen Wohn- und Tagungsgebäude jüngeren Datums nebenan, von dessen Dachterrasse man noch den Petersdom in Rom und auf der anderen Seite über Olivenhaine hinweg weit in die Albaner Berge Richtung Castelgandolfo oder Rocca di Papa sehen kann, bot Platz genug für einen Empfang nach der Messe im Dom von Frascati.  Kardinal Ratzinger
begrüßte einige jüdische Gäste, die aus Israel in die Villa Cavalletti gekommen waren.  Chaim Seeligmann, ein israelischer Kibbuz-Forscher, war vor Jahren auf die Integrierte Gemeinde aufmerksam geworden, da ihn alles auf der Welt interessiert, was nur irgendwie an die Lebensform der Kibbuzim erinnert.  Aus einem Besuch und  Gegenbesuchen wurde schließlich vor vier Jahren eine feste Beziehung der Integrierten Gemeinde zu Juden aus säkularen wie aus religiösen Kibbuzim. Der sogenannte "Urfelder Kreis" entstand, in Anlehnung an den kleinen Ort Urfeld am Walchensee, wo die Integrierte Gemeinde 1953 begann, ein Blockhaus zu ihrem ersten Fest- und , Begegnungshaus auszubauen.  Rudolf Pesch, der 1984 seinen Lehrstuhl für neutestamentliche Exegese an der Universität Freiburg aufgegeben hat, um in der Gemeinde als Theologe zu leben und zu arbeiten, übernahm auf deutscher Seite die Koordination des "Urfelder Kreises".  Er erinnert sich an diese ersten Kontakte mit den Juden.  Eine wirkliche Freundschaft sei daraus entstanden, als man zusammen das Konzentrationslager Dachau besucht habe - für beide Seiten eine ungeheure Überwindung, aber auch der entscheidende Schritt, um ohne Scheu gemeinsam auf die Vergangenheit zu
 schauen - auch auf die Vergangenheit, die Juden und Christen gemeinsam ist.
 

Antiochien als das Gegenbild

   Am Abend zuvor hatte Traudl Wallbrecher zum Holocaust Cordelia Edvardson zitiert: "Die Welt zerbrach.  Wer sie wiederherstellen will, muss wissen, wo sie zerbrochen ist".  Wichtiger noch als die Kirchenspaltungen des Mittelalters ist für die Integrierte Gemeinde der frühe Bruch zwischen Juden und Christen, zwischen Kirche und Synagoge am Ende des ersten Jahrhunderts.  Das Gegenbild von Auschwitz, so erläuterte Titus Lenherr, einer der Priester der Integrierten Gemeinde, sei nach dem biblischen Zeugnis in dem Ereignis zu erkennen, dass in Antiochien Juden und Heiden an einem Tisch zusammengeführt wurden.  Da sei Gott an sein Ziel gekommen.  Die Suche nach der verlorenen Einheit des einen Volkes Gottes, das in die Synagoge und die Kirche auseinandergefallen ist, ist eines der ganz zentralen Themen der Integrierten Gemeinde, so dass man, die Gesprächskontakte mit den Juden im "Urfelder Kreis" als ein besonders kostbares unter den zarten Pflänzchen sieht, die in den vergangenen Jahren auf dem Boden der Gemeinde gewachsen sind.

  Ein anderes ist die Arbeit der Gemeinschaft in Tansania.  Dass beim Festmahl in den Speisesälen der Villa Cavalletti auch afrikanische Gesänge zu hören waren, geht auf einen Besuch von Bischof Christopher Mwoleka aus der tansanischen Diözese Rulenge zurück. 1977 besuchte er die Integrierte Gemeinde in Deutschland - und am ein Jahr später mit dreißig Erwachsenen und vielen Kindern aus Tansania zurück, die bei den Mitgliedern der Gemeinde Aufnahme fanden und nicht nur eine Schul- und Berufsausbildung, sondern auch eine Einführung in das Leben der Integrierten Gemeinde erhielten.  Erst nach zehn Jahren kehrten die Tansanier mit deutschen Gemeindemitgliedem in ihre Heimat zurück, Niederlassungen der Gemeinde gibt es heute in der Diözese Morogoro und in Dar-es-Salaam.
   München, Hagen, Paderborn, Wangen, Bad Tölz, Kochel, Augsburg und Wien: das sind die Orte im deutschsprachigen Raum, auf die sich etwa tausend Mitglieder der Integrierten Gemeinde verteilen.  Freunde, Förderer und Interessenten an vielen Orten kommen hinzu.  Ein besonderer Ort ist die kleine Pfarrei Walchensee eine knappe Stunde Autofahrt südlich von München. Die Pfarrei liegt auf dem Gebiet der Diözese Augsburg, und es war Erzbischof Josef Stimpfle, der sie 1986 Priestern der Integrierten Gemeinde anvertraut hat. Gläubige der Pfarrei sind ebenfalls nach Frascati gereist, um beim Jubiläum mitzufeiern.
    Sie erleben jeden Tag, was man fast als "operatives Ziel"' der Gemeinschaft bezeichnen könnte: die Kirche, bestehend aus erneuerten Pfarrgemeinden.  Zusammen mit Mitgliedern der Integrierten Gemeinde hat man in Walchensee eine kleine Grundschule aufgebaut und einen Kindergarten eingerichtet.  Und der Gottesdienst am Sonntag sammelt wieder viele zu einem lebendigen tragenden Fundament des kirchlichen, aber auch des dörflichen Lebens.  Eine überschaubare Gemeinde - in der man weiß, warum man Christ und mit anderen Christen zusammen ist, in der Beruf, Familie und Glaube für den Einzelnen nicht in unterschiedliche Lebensbereiche zerfallen, sondern Ausdruck ein und derselben Berufung sind - das will die Integrierte Gemeinde sein.  Und sie ist bereit, diese Erneuerung an viele Orte eines im zwanzigsten Jahrhundert müde gewordenen Volkes Gottes zu bringen.

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© Die Tagespost / Guido Horst      ( Nr. 126/ Seite 5)
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