041
USA-nachhaltig &  EU-nachhaltig    (zugehört)

Soeben bei n-tv-Maischberger, 22.08.2002, Uhr 17,15
Zu Gast: Volker Hauff, SPD, früherer Budesforschungsminister, Vorsitz im (BRD-)Rat nachhlatiger Entwicklung .
               John Kornblum, früherer amerikanischer Botschafter in Deutschland.

Thema: Umweltgipfel in Johannesburg.

--
(Zitate nur sinngemäß und ohne Gewähr. Protokollierung nur nach Interessenlage und zeitlicher Möglichkeit von C.Elmar Schulte-Schulenberg. Oder: „Omne quod recipitur – ad modum recipientis recipitur.“ )
--
SM Sandra Maischberger
H     Volker Hauff
K     John Kornblum

START


SM
Wie viel Leute haben eine Vorstellung von „Nachhaltigkeit“?
H
(Inzwischen bereits erfreuliche) 28%

SM
Herr Kornblum, - was stellen die Leute sich unter Nachhaltigkeit vor?
K
Warnendes. Die Menschen haben Sorge, Ihnen könnte etwas genommen werden.

SM
Stören die Amerikaner die weltweite „Intakte Nachbarschaft“?
K
"DIE Amerikaner" ist mir zu allgemein.
Konfliktpunkt: USA lassen sich auf Reduktionsforderungen nicht ein.

SM
Herrscht in USA die Meinung vor, dass das Klimaproblem international angegangen werden muss?
K
Ja.
Analyse ist umstritten.  Kyoto wird von einem ziemlich breiten Spektrum abgelehnt, weil man glaubt, dass das nichts bringt.

SM
Warum hat Bushregierung das Protokoll nicht ratifiziert?
K
Ich bin nicht die Bushregierung.
Aber: Wir haben riesige Differenzen in den Zivilisationsverhältnissen - weltweit.

SM
Kann man die Reduktionserfolge in BRD auf USA übertragen?
H
Ja.
7 % in USA Clintonversion (zum Unterschied zu BRD 21%) - hätte erreicht werden können.

SM
Hätte Al Gore positiver gehandelt?
K
Hätte er nicht gekonnt.
USA haben in Rio und Kyoto Kompromisse akzeptiert. EU hat die Kompromisse abgelehnt.

SM
Warum wollen die USA nicht?
K
Weil technisch – so - nicht machbar.

SM
Hat Europa blockiert, - und wenn ja, - warum?
H
Emissions-Trading a la USA kann (so z.zt.) nicht funktionieren.

 

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SM
Sehen wir USA falsch, wenn wir glauben, die Amerikaner „reißen Mauern“ bei sich selber nicht ein?
K
Ja.
Amerika ist riesig.

SM
Amerikaner „haben so viel Land“ – und können es sich leisten, wenn etwas kaputt geht?
K
Falsch.
Problem: Alle jetzt relevant gewordenen Kulturkomplexe können nicht einfach auf einer Konferenz geregelt werden.
Wir hätten von den Europäern erwartet, dass die amerikanischen Verhältnisse stärker berücksichtigt worden wären.

SM
Wie löst man das Problem (Isolierung) jetzt?
H
Breite Weltmehrheit (incl. bald auch  Russland) hat Kyoto akzeptiert.

SM
Druck auf USA ausüben?
H
Unsinn.

SM
Neu in Diskussion “Weltbank“ sagt: „Wir können so nicht weiter machen.“?
K
Das sind getrennte Probleme.

SM
“Weltbank“ – neu in der Diskussion?
H
Ja.
Paradigmenwechsel. Die Verantwortung vor den kommenden Generationen, - das ist „Nachhaltigkeit“.

SM
Trotz aller bisherigen Konferenzen – sind die globalen Verhältnisse immer schlimmer geworden. Warum also?
H
Johannesburg ist als Gipfel-Konferenz ein internationales Regierungsforum und als solche bereits berechtigt.
K
Die Lösung liegt im Pragmatismus; nicht in Konferenzen.
Emissionstrading – hat bisher gute Erfolge (Skandinavien) gezeitigt.
Wenn man USA vor 2 Jahren in Bonn mehr Zugeständnisse im Trading gemacht hätte, wären wir jetzt weiter.

SM
Differenzen USA-BRD in Sachen Irak wachsen?
K
Glaube ich nicht.
Die praktische Diplomatie (siehe auch aktuelle US-Presse) zeigt, dass das Klima besser geworden ist. Spannungen werden es immer geben.

SM
Frage an den SPD-Mann: Kanzleräußerungen (zum Militäreinsatz) jetzt Wahlkampf?
H
Nein.
Unsere Leistungsgrenzen sind jetzt erreicht.

END


Bye!
charly1
( Carl-Elmar Schulte-Schulenberg )
 

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 Nachhaltige Entwicklung

1  EINLEITUNG

Nachhaltige Entwicklung, wirtschaftliche und soziale Entwicklung, die den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Naturraumpotential und die natürlichen Ressourcen dürfen dabei nicht länger einseitig ausgebeutet werden, sondern nur noch in dem Maße genutzt werden, wie ihre natürliche Regeneration sichergestellt ist. Zwei Bereiche sind grundlegend für den nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde: Erstens gehört dazu die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung und Arbeit. Dies schließt auch ein, sich um die unbefriedigten Bedürfnisse der Armen zu kümmern. Denn eine Welt, in der fortwährend Armut und Hunger herrschen, ist immer anfällig für ökologische und andere Katastrophen. Zweitens sind die Grenzen der Entwicklung und die Nutzung der Ressourcen nicht absolut festzulegen, sondern richten sich vielmehr nach dem gegenwärtigen Stand der Technik und gesellschaftlichen Organisation, nach ihrer Wirkung auf die Umwelt und auf die Fähigkeit der Biosphäre, die Folgen des menschlichen Handelns aufnehmen zu können. Sowohl Technologie als auch gesellschaftliche Organisation können verbessert werden, um eine neue Ära ökologisch rücksichtsvollen Wirtschaftswachstums in die Wege zu leiten.

In den siebziger und achtziger Jahren wurde immer deutlicher, dass Entwicklung und Fortschritt auf Kosten einer Verschwendung von Umweltressourcen stattfanden. Viele unbeabsichtigte Veränderungen traten in der Atmosphäre, in Böden, in Gewässern, in der Tier- und Pflanzenwelt und im Verhältnis all dieser Sphären untereinander auf. Das Ausmaß der Veränderung erwies sich als so gravierend und komplex, dass die gegenwärtigen wissenschaftlichen und institutionellen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen, diesen Prozess, seine Ursachen und Wirkungen, zu bremsen oder umzukehren. Die daraus resultierenden Hauptprobleme für die Umwelt sind u. a.:

(1) die globale Erwärmung der Atmosphäre (Treibhauseffekt) durch die Freisetzung von Gasen (vor allem Kohlendioxid, Methan, Stickstoffoxide und Fluorchlorkohlenwasserstoffe), welche die von der Erdoberfläche zurückgeworfene Langwellenstrahlung absorbieren und so zu einer Erwärmung der Atmosphäre führen;
(2) die Abnahme der schützenden Ozonschicht in der Stratosphäre (besonders gravierend an den Polen) durch das Agieren von Chlor- und Bromverbindungen, die zu einer Zunahme schädlicher ultravioletter Strahlung auf der Erdoberfläche führt;
(3) die wachsende Verschmutzung von Wasser und Böden durch Freisetzung und Abfluss industrieller und landwirtschaftlicher Abwässer und Abfallstoffe;
(4) die Verminderung der Waldflächen (Entwaldung), vor allem in den Tropen, durch Rodung und Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen;
(5) der Schwund insbesondere frei lebender Tier- und Pflanzenarten durch die Vernichtung ihrer natürlichen Lebensräume, aber auch gezüchteter Formen sowie der zunehmende Druck auf frei lebende Fischbestände;
(6) die Bodendegradierung in landwirtschaftlich genutzten und natürlichen Lebensräumen, einschließlich Erosion, Auslaugung und Versalzung, die dazu führen, dass der Boden keine Nahrung mehr produzieren kann.


Ende 1983 beauftragte der Generalsekretär der Vereinten Nationen die Premierministerin von Norwegen, Gro Harlem Brundtland, eine unabhängige Kommission einzuberufen, die diese Probleme untersuchen und Vorschläge unterbreiten sollte, wie die schnell wachsende Erdbevölkerung ihre Grundbedürfnisse befriedigen könne, ohne dabei ständig Raubbau an nicht erneuerbaren Ressourcen zu betreiben. Diese Gruppe, die aus Ministern, Wissenschaftlern, Diplomaten und an der Gesetzgebung Beteiligten bestand, hielt auf fünf Kontinenten über einen Zeitraum von fast drei Jahren öffentliche Anhörungen ab. Die Hauptaufgabe der so genannten Brundtland-Kommission war, eine global agenda for change (globale Agenda für den Wandel) vorzulegen. Ihr Auftraggeber gab drei Ziele vor: die Neubewertung der ernsten Umwelt- und Entwicklungsprobleme sowie realistische Vorschläge, wie mit ihnen umzugehen sei; Vorschläge für neue Formen der internationalen Zusammenarbeit in diesen Fragen, um die Politik zu beeinflussen und notwendige Veränderungen herbeizuführen; die Errichtung neuer Standards hinsichtlich des Problemverständnisses und der Verpflichtung zum Handeln für Einzelpersonen, freiwillige Organisationen, Wirtschaftsbereiche, Institute und Regierungen.

Der Bericht wurde der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Herbst 1987 vorgelegt. Er entwirft zwei gegensätzliche Szenarien unserer Zukunft: eine Zukunft, die lebens- und überlebensfähig ist, und eine zweite, die es nicht ist. In der letzteren fahren die Menschen fort, das natürliche Kapital der Erde aufzubrauchen. In der anderen übernehmen die Regierungen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung und schaffen neue, gerechtere Strukturen, welche die Kluft zwischen den reichen und armen Nationen verkleinern. Diese Kluft hinsichtlich Macht und Ressourcen ist eines der größten Umweltprobleme auf unserem Planeten; sie ist zudem das größte Entwicklungsproblem. Die Integration von ökonomischen und ökologischen Überlegungen in die Entwicklungsplanung erfordert nichts Geringeres als eine grundlegende Neuorientierung in ökonomischen Entscheidungsprozessen.

Auf Veranlassung der Kommission war das nächste international bedeutende Ereignis der Umweltgipfel, der im Juni 1992 in Rio de Janeiro stattfand. Diese Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung wurde von 178 Regierungen besucht, darunter 120 Staatschefs. Gemeinsames Ziel war dabei, einen Weg zu finden, wie man die erklärten Absichten in ein gemeinsames Handeln umsetzen könne. Die Regierungen sollten darüber hinaus spezifische Einverständniserklärungen zu wichtigen Umwelt- und Entwicklungsproblemen unterzeichnen. Zu den Ergebnissen des Gipfels gehörten internationale Konventionen zur biologischen Artenvielfalt und zum Klima; eine Erd-Charta mit elementaren Grundsätzen; und ein Aktionsprogramm mit dem Namen Agenda 21, das die Verwirklichung dieser Grundsätze sicherstellen sollte.

Doch die Ergebnisse wurden durch die Ablehnung einiger Regierungen beeinträchtigt, sich Zeitplänen und Handlungszielen zu unterwerfen (etwa eine Reduzierung von Gasemissionen, um einer globalen Erwärmung entgegen zu wirken) oder bestimmte Dokumente zu unterzeichnen (einige vertraten die Ansicht, das Vertragspapier zur Biodiversität könne der Biotechnologie in den Industrieländern schaden) oder aber verpflichtenden Maßnahmen zuzustimmen (wie den Grundsätzen zur Walderhaltung). Das Aktionsprogramm der Agenda 21 deckt mit seinen 41 Kapiteln annähernd jedes denkbare Problem ab, das mit nachhaltiger Entwicklung zusammenhängt. Die Umsetzung und Finanzierung bleibt jedoch fraglich.

Dennoch hatte der Gipfel zumindest zeitweilig die Aufmerksamkeit für die Probleme auf das höchste politische Niveau gehoben. Kein führender Politiker kann länger Unwissenheit vorschützen, wenn es um die Zusammenhänge von Umwelt und Entwicklung geht. Darüber hinaus ist nun klar, dass es ohne fundamentale Veränderungen keine nachhaltige Entwicklung geben wird: Die Armen brauchen einen gerechten Anteil an den Ressourcen, um ökonomisches Wachstum erlangen zu können. Die politischen Systeme müssen eine effektive Mitwirkung ihrer Bürger in den Entscheidungsprozessen sicherstellen, insbesondere bei Vorhaben, die das Leben unmittelbar betreffen. Die Reicheren müssen ihren Lebensstil den ökologischen Erfordernissen des Planeten Erde anpassen. Und Bevölkerungsgröße und -wachstum müssen sich in Harmonie mit dem veränderten Produktionspotential des Ökosystems befinden.

Nachhaltige Entwicklung ist aber keineswegs ein starrer Zustand der Harmonie, sondern viel eher ein sich ständig wandelnder Prozess. Dieser Prozess ist im Bereich der landwirtschaftlichen Entwicklung bereits in vollem Gange, wo ein Übergang zur nachhaltigen Landwirtschaft die Nahrungsmittelproduktion verbessert, insbesondere für die Armen, und zugleich zum Schutz der Umwelt beiträgt.

2  MODERNISIERUNG DER LANDWIRTSCHAFT

Die Landwirtschaft hat im Lauf der Geschichte viele Revolutionen erlebt, von ihren Anfängen vor 8 000 bis 10 000 Jahren bis zu der bekannten landwirtschaftlichen Revolution in Europa zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurden die ländlichen Räume in den meisten Teilen der Welt erneut einer Wandlung unterzogen. Regierungen unterstützten die Einführung moderner Varietäten von Getreide und hochgezüchteter Viehrassen, kombiniert mit einem ganzen Paket von außen hinzukommender, notwendiger Einträge (Inputs) wie Dünger, Pestizide, Maschinen und Kredite, um die neuen Sorten und Rassen noch produktiver zu machen. Sie förderten neue Infrastrukturen, wie Bewässerungssysteme, Straßen und Märkte, wobei sie die Preise für landwirtschaftliche Produkte garantierten.

Dieser Prozess der landwirtschaftlichen Modernisierung hat drei verschiedene Typen der Landwirtschaft hervorgebracht: die industrialisierte Landwirtschaft, die „Grüne Revolution” in den Ländern der Dritten Welt mit dem Ziel einer Steigerung der Nahrungsmittelproduktion und weitere Formen, welche die traditionellen, noch unverbesserten Landwirtschaftsformen mit geringen externen Einträgen umfassen. Die ersten beiden Typen haben mit der technologischen Entwicklung Schritt gehalten und zur Produktion gewaltiger Nahrungsmengen geführt; sie erfordern: den Zugang zu Straßen, zu städtischen Märkten und Häfen, die wiederum einen leichten Zugang zu Einsatzmitteln, Maschinen, Verkaufs- und Einkaufsstrukturen, Transportmitteln, Fabriken zur Lebensmittelherstellung sowie Krediten beinhalten; fruchtbare Böden; ausreichende Wasserversorgung (entweder durch gleich bleibende Niederschlagsmengen oder durch Bewässerungssysteme); Zugang zu verschiedenen Sorten von modernem Saatgut sowie zu Samenbanken für die Viehzucht; schließlich Zugang zu Produkten, die auf der Basis von Erdöl hergestellt wurden und Maschinen, die von Erdöl angetrieben werden.

In den Ländern der Dritten Welt finden wir diese Landwirtschaftsformen, die mit hohen externen Einträgen arbeiten, in den weiten, wasserreichen Niederungen und Deltas Süd-, Südost- und Ostasiens, in Teilen Lateinamerikas und Nordafrikas, aber auch lokal begrenzt in anderen Gegenden. Sie tendieren – jeweils an den Markt angepasst – zu Monokulturen bzw. der Haltung nur einer Tierart. Dazu zählt der bewässerte Reisanbau, der Anbau von Weizen und Baumwolle; Bananen-, Ananas-, Ölpalmen- und Zuckerrohrplantagen; intensive Viehzucht und Weidewirtschaft.

Zur Grünen Revolution in den Ländern der Dritten Welt trugen von Wissenschaftlern gezüchtete neue Getreidesorten bei, die schnell reifen und so zwei bis drei Ernten im Jahr erlauben. Die Sorten sind nicht an bestimmte Tageslängen gebunden und können so von Bauern in vielen Teilen der Welt eingesetzt werden. Zudem wurde ihr relativer Anteil an Korn (statt an Stroh) erhöht. Die neuen Sorten wurden zusammen mit kostenintensiven Einträgen an die Bauern verteilt. Zu diesen Inputs zählen anorganische Dünger, Pestizide, Maschinen, Wasser und Kredite. Das Ergebnis war, dass sich die durchschnittlichen Getreideerträge in 30 Jahren annähernd verdoppelt haben. Relativ zum gleichzeitigen Wachstum der Erdbevölkerung ist dies eine Verbesserung von sieben Prozent, wenn man die Nahrungsproduktion pro Kopf berücksichtigt. In diesem Durchschnitt verbergen sich allerdings deutliche regionale Unterschiede: Während sich in Südostasien die Nahrungsproduktion pro Kopf um etwa 30 Prozent erhöht hat, ist sie in Afrika um 20 Prozent gefallen. Überdies bleiben rund eine Milliarde Menschen, deren Ernährung so wenig Energie enthält, dass ihnen praktisch keine Arbeitsleistung möglich ist. Von diesen Menschen leben 480 Millionen in Familien, die so arm sind, dass das gesunde Wachstum der Kinder und eine ausreichende Tätigkeit von Erwachsenen nicht gewährleistet sind. Siehe Lebensmittelversorgung der Weltbevölkerung.

Eine der Grünen Revolution ähnliche Revolution fand in den industrialisierten Ländern statt. Die Bauern modernisierten ihre Höfe mit Maschinen, die Arbeitsprozesse ersetzten, spezialisierten und veränderten, um eine größere Gesamtproduktion zu erzielen. Der Druck, den Umfang von Feldern und Hof vergrößern zu müssen, führte vielerorts zum Verschwinden des traditionellen Mischbauernhofs und damit zum Verschwinden eines hochgradig integrierten Systems, das nur wenige externe Einträge brauchte.

Der dritte Landwirtschaftstyp umfasst alle restlichen landwirtschaftlichen Systeme und Selbstversorgungssysteme. Diese bedürfen nur geringer Einträge externer Mittel, sie befinden sich in Trocken- und Feuchtgebieten, im Hochland, in Savannen, Sümpfen, Halbwüsten, Gebirgen und Bergen sowie Wäldern. Die landwirtschaftlichen Systeme dieser Gebiete sind komplex, die Ernteerträge sind meist klein, und das Auskommen der Menschen ist oft von Wildressourcen ebenso wie vom Landbau abhängig. Die Bauernhöfe sind von Märkten und Infrastruktur so gut wie abgeschnitten; sie befinden sich auf empfindlichen oder problematischen Böden.

Diese Systeme haben eine typisch niedrige Ertragsrate mit Getreideernten, die von 0,5 bis einer Tonne pro Hektar reichen. Die ärmsten Länder haben gewöhnlich einen größeren Anteil dieser landwirtschaftlichen Systeme. Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden 30 bis 35 Prozent der Erdbevölkerung, das sind 1,9 bis 2,1 Milliarden Menschen, von dieser dritten und weitgehend vergessenen Landwirtschaftsform ernährt. Gleichwohl sind diese Völker gegenwärtig von der Entwicklungspolitik ausgeschlossen, die sich allein auf die Länder mit großem landwirtschaftlichem Potential konzentriert.

3  AUSWIRKUNGEN EINER NACHHALTIGEN LANDWIRTSCHAFT

Trotz der vergangenen Verbesserungen in der Nahrungsproduktion stehen die schwierigsten Herausforderungen noch bevor. Die Weltbevölkerung wird einer Schätzung der Vereinten Nationen zufolge 2050 auf 9,3 Milliarden Menschen angewachsen sein. Insbesondere unter den Bedingungen des gegenwärtig ungerecht verteilten Zugangs zu den Ressourcen wird die landwirtschaftliche Produktion bedeutend wachsen müssen, um das derzeitige Ernährungsniveau auch nur zu halten. Ohne erhebliches Wachstum sind die Aussichten für viele Menschen in den armen Ländern hoffnungslos.

In den letzten 50 Jahren war die Landwirtschaftspolitik hinsichtlich der Steigerung der Nahrungsproduktion sehr erfolgreich. Grund dafür war der globale Einsatz von Pestiziden, anorganischen Düngemitteln, chemischen Futterzusätzen, Traktoren und anderen Maschinen. Dieser Einsatz hat jedoch die natürlichen Selbsthilfemechanismen und -ressourcen ersetzt und so die Böden verwundbarer gemacht. Pestizide sind an die Stelle biologischer, kultureller und mechanischer Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen, Unkraut und Krankheit getreten (Schädlingsbekämpfung); die Bauern haben Viehdung, Kompost und Stickstoff bindende Feldfrüchte durch anorganische Düngemittel ersetzt; Ratschläge für wirtschaftliche Entscheidungen erhalten sie von den Lieferanten der Einsatzmittel und weniger aus ihrem lokalen Umfeld; in vielen Fällen haben fossile Energieträger die örtlich vorhandenen Energiequellen verdrängt. Die Spezialisierung der Agrargüterproduktion und der damit einhergehende Rückgang der Mischlandwirtschaft haben ebenfalls zu dieser Situation beigetragen. Aus vormals sehr geschätzten einheimischen Ressourcen wurden Abfallprodukte.

Eine grundlegende Bedingung für die nachhaltige Landwirtschaft ist die verstärkte Nutzung solcher einheimischer Ressourcen. Dies kann erreicht werden durch die Minimierung des Einsatzes von externen Einträgen und durch die effektivere Wiedernutzung jener Ressourcen oder durch eine Kombination von beidem. Eine nachhaltige Landwirtschaft ist deshalb ein System zur Nahrungs- oder Rohstoffproduktion, das folgende Ziele systematisch verfolgt:

(1) eine tiefere Einbeziehung von natürlichen Prozessen wie Fruchtfolgen, Stickstoffbindung und schädlingsbekämpfenden Wechselwirkungen im landwirtschaftlichen Produktionsprozess;
(2) eine Verringerung des Einsatzes von externen und nicht erneuerbaren Einträgen, die in höchstem Maße die Umwelt und die Gesundheit der Bauern und Konsumenten gefährden können, sowie eine stärker zielgerichtete Nutzung vorhandener Mittel, die eine Kostenreduzierung zur Folge hat;
(3) ein gerechterer Zugang zu Ressourcen und Fortschritte in Richtung sozial gerechterer Formen der Landwirtschaft;
(4) eine produktivere Nutzung der biologischen und genetischen Potentiale von Pflanzen- und Tierarten;
(5) eine produktivere Nutzung einheimischer Kenntnisse und Handlungstraditionen einschließlich innovativer Vorgehensweisen, die bislang von Wissenschaftlern noch nicht verstanden und weitgehend von den Bauern auch noch nicht übernommen werden;
(6) ein Anwachsen der Selbst- oder Eigenverantwortung unter den Bauern und der Landbevölkerung;
(7) ein verbessertes Wechselspiel von Bewirtschaftungsstrukturen, produktivem Potential sowie umweltbedingten Einschränkungen klimatischer und landschaftlicher Art, um eine langfristige Nachhaltigkeit gegenwärtiger Ertragsmengen zu sichern;
(8) eine gewinnträchtige und effiziente Produktion mit dem Schwerpunkt auf integrierter Landwirtschaft und auf dem Schutz von Boden, Wasser, Energie und biologischen Ressourcen.


Nur ein Zusammenwirken dieser Komponenten führt zum Ziel einer integrierten Landwirtschaft, und nur so können die Ressourcen effizienter und effektiver genutzt werden. Nachhaltige Landwirtschaft strebt deshalb nach der integrierten Anwendung eines breiten Spektrums von Maßnahmen und Technologien, die der Schädlingsbekämpfung, dem Nährstofferhalt, dem Bodenerhalt und der Reinhaltung des Wassers dienen. Sie zielt auf eine wachsende Vielfalt von Maßnahmen innerhalb der einzelnen Bauernhöfe, kombiniert mit zunehmenden Vernetzungen zwischen verschiedenen Höfen. Nebenprodukte oder Abfälle der einen Komponente werden zu produktiven Einträgen der anderen. Wenn natürliche Prozesse zunehmend externe Einträge ersetzen, werden schädliche Auswirkungen auf die Umwelt nach und nach reduziert.

Die grundlegende Herausforderung für eine nachhaltige Landwirtschaft ist in den drei Landwirtschaftszonen jeweils unterschiedlich. In der industrialisierten Landwirtschaft Europas und Nordamerikas geht es um die wesentliche Reduzierung der Einträge und der beweglichen Kosten, um die Rentabilität aufrechtzuerhalten. Ein gewisses Absinken der Erträge wäre angesichts der heutigen Überproduktionsraten hinnehmbar. In den Gebieten der Grünen Revolution geht es um die Aufrechterhaltung der Ernteerträge auf dem gegenwärtigen Niveau bei gleichzeitiger Verminderung der Umweltschäden. In den Gebieten mit heterogener Landwirtschaft schließlich geht es darum, die Erträge pro Hektar zu steigern, ohne die natürlichen Ressourcen zu schädigen.

Neue Erhebungen überall auf der Welt zeigen, dass nachhaltige Landwirtschaft in allen drei Gebieten möglich ist:

(1) In den heterogenen und ressourcenarmen Ländern der Dritten Welt haben Bauern durch regenerative Technologien ihre Erträge verdoppelt oder verdreifacht, oft mit nur geringen externen Einträgen.
(2) In den Ländern mit hohen externen Einträgen, wo meist Bewässerungssysteme vorhanden sind, konnten die Bauern durch die Anwendung regenerativer Technologien ihre Erträge halten und gleichzeitig externe Einträge deutlich reduzieren.
(3) In den industrialisierten Landwirtschaftssystemen könnte ein Übergang zu nachhaltiger Landwirtschaft zunächst ein Absinken der Erträge um 10 bis 20 Prozent pro Hektar bedeuten, doch mit einer durchaus verbesserten Rendite für die Bauern.


Alle diese Erfolge haben drei Elemente gemeinsam. Sie nutzen Ressourcen schonende Technologien sowie integrierte Schädlingsbekämpfung, Boden- und Wasserschutz, Fruchtwechsel, Wasserspeicher, Abfallrecycling usw. Immer handeln Gruppen und Gemeinden auf lokaler Ebene gemeinsam. Zudem gibt es Regierungs- oder andere Institutionen, die diese Prozesse unterstützen und fördern.

Die meisten dieser Erfolge sind aber örtlich begrenzt. Dies liegt an einem vierten Element: Es fehlt ein günstiges politisches Klima. Die meisten von Politikern geschaffenen Rahmenbedingungen ermutigen und fördern aktiv eine Landwirtschaft, die von externen Einträgen und Technologien abhängig ist. Es sind diese Rahmenbedingungen, die eines der Haupthindernisse für eine stärkere Hinwendung zu einer nachhaltigen Landwirtschaft darstellen.

4  GEFAHREN UND HINDERNISSE

Trotz dieses Potentials für eine nachhaltigere Landwirtschaft, von der Bauern, Landgemeinden, Umwelt und nationale Wirtschaft profitieren könnten, gibt es zahlreiche Hindernisse und Gefahren. Viele der bestehenden Machtstrukturen wären durch Veränderung bedroht, und es wird vielleicht nicht möglich sein, alle in kurzer Zeit an den Vorteilen partizipieren zu lassen. Die Gefahren reichen von der internationalen bis zur lokalen Ebene.

Auf internationaler Ebene tendiert die Markt- und Handelspolitik dazu, die Warenpreise zu verringern und so die Einkünfte der Bauern zu mindern. Allein in den letzten zehn Jahren sind die Warenpreise im Durchschnitt um 50 Prozent gesunken. Auch wird die agrochemische Industrie bestrebt sein, ihre Märkte gegen Möglichkeiten zu schützen, die eine verringerte Abnahme ihrer Produkte in Aussicht stellen.

Auf nationaler Ebene muss eine Politik, die für mikro- und makroökonomische Prozesse zuständig ist und die Entwicklung einer nachhaltigeren Landwirtschaft weiter behindert, verändert werden. In manchen Fällen wird sich dies politisch als außerordentlich schwierig herausstellen, insbesondere wenn damit lange versprochene Landreformen einhergehen, die den Bauern erst die Sicherheit geben können, in nachhaltige Maßnahmen zu investieren.

Die bürokratische Struktur großer Institutionen ist eine weitere Gefahr. Man fürchtet sich, kleine und lokale Einheiten mit Macht auszustatten, da dies den Verlust eines Teiles der eigenen Macht beinhalten würde. Gleicherweise ist die konservative Ausrichtung von Universitäten und Lehranstalten ein Hindernis für die nötige Professionalisierung der nachhaltigen Landwirtschaft. Viele sind unwillig oder unfähig, landwirtschaftliche Experten auszubilden, die gemeinsam mit Bauern und für sie arbeiten können.

Schließlich sehen sich die Bauern selbst Kosten gegenüber, die der Prozess des Übergangs zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und die dazu gehörenden Maßnahmen und Technologien mit sich bringen. Zudem erfordern neue Formen der Bewirtschaftung auch die Bereitschaft zum Erlernen neuer Fertigkeiten.


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