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Der Führer – damals.  &    Die Verführten – heute.  (zugehört) 

Soeben bei n-tv-Maischberger, 08.05.2003, Uhr 17,15
Zu Gast: Prof. Dr. Joachim C. Fest, Autor und Historiker.

Thema: Jahrestag Ende des Zweiten Weltkrieges 8.Mai 1945. Historische Hitlervergleiche.
Biographisches.

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(Zitate nur sinngemäß und ohne Gewähr. Protokollierung nur nach Interessenlage und zeitlicher Möglichkeit von C.Elmar Schulte-Schulenberg. Oder: „Omne quod recipitur – ad modum recipientis recipitur.“
Hiermit ausdrückliche Distanzierung von allen Linkinhalten im Sinne von persönlichem Haftungausschluß nach neuester Rechtsprechung.  )  
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SM Sandra Maischberger
F     Prof. Dr. Joachim C. Fest

START
SM
8.Mai 1945 Soldat; -  befreit gefühlt?
F
Ja (?)
(Erzählt Streit-Episode aus Gefangenenlager zum Begriff „Befreiung damals“..)

SM
Haben Sie damals geglaubt, sich noch so lange mit dem Thema befassen zu müssen?
F
Nein

SM
Sind Sie Hitler jemals persönlich begegnet?
F
Ja
(Bei einer Jubelveranstaltung von Ferne)

SM
Hätten Sie, falls möglich gewesen, Hitler damals eine Frage gestellt?
F
Nein

SM
Was ist Ihre letzte offen gebliebene Frage in dieser Sache?
F
Die Totalität von Hitlers Judenhass.

SM
Ist es verklemmt, wenn jetzt in einer Liste „Großer Deutscher“ Hitler nicht auftaucht?
F
Nein

SM
Wird Ihre eigene Reflexion zu Hitler zunehmend genauer?
F
Nein

SM
13,5 Mio. € für neues Hitler-Filmprojekt erschreckt Sie?
F
Nein

SM
Haben Sie Angst, dass Ihr kritischer Vater bei diesem Filmprojekt insistieren würde?
F
Nein
(Das Projekt ist OK)


 

Bleiben Sie bei uns.  ;-)
   Werbe-PAUSE


SM
Oskar Lafontaine quittiert seine Ausladung durch SPD mit „Schröder/Stalin-Vergleich“?
F
Unerträglich

SM
Historikervergleich „Stalin“ grundsätzlich inakzeptabel?
F
Nein

SM
Hitler und Saddam vergleichbare Typologie?
F
Ja

SM
Untergangsstimmung in Ihren Hitlerbunkerschilderungen, haben etwas mit der heutigen Stimmung in Deutschland zu tun?
F
Nein
(68er Bewegung verheerend dumm und gefährlich destruktiv. Ich war nie Marxist oder Kommunist, weil die Nazierfahrungen mich davor bewahrt haben. Warum der intelligente Joschka Fischer dieser Ersatzideologie so lange angehangen hat, ist mir schleierhaft.)

SM
Wäre Ihre politische Aktivität (CDU) für Sie eine Langzeitperspektive gewesen?
F
Nein

SM
Haben Sie keinen „Abschluss“, obwohl Jura et et et studiert?
F
Nein

SM
Chefredakteur NDR, FAZ-Herausgeber, signalisiert Machtinteresse?
F
Ja
(Wollte sich nicht mit den Streitigkeiten der Programmoberen verbrauchen. Wollte lieber „das Hitlerbuch“ schreiben.)

SM
„Vater – Sohn Frage“:
Sohn meint, auf 5 Seiten schreiben zu können, was Ihr Hitlerbuch enthält. OK?
F
Nein
(Das kann mein Sohn so nicht gemeint haben)

 

END


"Adlerauge" ;-) Schulte gen. Schulenberg

Bye!


Klick führt zu meinem Leistungstraining.

( Email an:  Carl-Elmar Schulte-Schulenberg )

 

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Biographie

Im 20. Jahrhundert erschienen unter dem Einfluss der Lehren Sigmund Freuds zahlreiche biographische Werke, deren Hauptinteresse auf der Erforschung psychologischer Zusammenhänge lag. Daneben entwickelte sich eine Vielzahl verschiedener Formen und Typen von Biographien. Zu den wichtigsten Werken gehören u. a. Golo Manns Wallenstein, Joachim Fests Hitler, Emil Staigers Goethe und Martin Gregor-Dellins Richard Wagner.

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Hitler, Adolf


1  EINLEITUNG

Hitler, Adolf (1889-1945), deutscher Reichskanzler (1933-1945) und Führer des Nationalsozialismus.

2  DIE JUGENDJAHRE (1889-1918)

Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau am Inn in Österreich als Sohn eines Zollbeamten geboren und wuchs in Braunau, Passau, Linz und ab 1898, seit der Pensionierung seines Vaters, in Leonding bei Linz auf. Er besuchte die Volks- und die Realschule, brach aber 1905, zwei Jahre nach dem Tod seines Vaters, den Schulbesuch ohne Abschluss ab. Von 1905 bis 1907 lebte er, finanziell unterstützt von seiner Mutter, ohne Ausbildung und Beruf in Linz.

Im September 1907 ging Hitler nach Wien, um die Allgemeine Malschule an der Akademie der Bildenden Künste zu besuchen, scheiterte jedoch zweimal (1907 und 1908) an der Aufnahmeprüfung. Wie schon in Linz führte er auch in Wien ein bohemienhaftes Leben mit häufigen Opernbesuchen und künstlerischen Versuchen auf verschiedenen Gebieten und bezeichnete sich als „Schriftsteller” und „Kunstmaler”. Anders als er es später in Mein Kampf darstellte, musste er sich nicht als Hilfsarbeiter verdingen, sondern lebte nach dem Tod seiner Mutter im Dezember 1907 von einer Rente und Zuwendungen seitens seiner Familie; von 1908 bis 1913 wohnte er in Obdachlosen- und Männerwohnheimen. In seiner Wiener Zeit kam Hitler mit extrem nationalistischem und antisemitischem Gedankengut in Kontakt, das er sich ebenso aneignete wie eine starke Abneigung gegen Marxismus und Liberalismus.

1913 ging Hitler, um sich dem Militärdienst in Österreich zu entziehen, nach München, wo er seinen Wiener Lebensstil unverändert weiterführte. Von den österreichischen Behörden in München aufgespürt, musste er zur Musterung zurück nach Österreich, wurde jedoch für untauglich erklärt.

Durch den Ausbruch des 1. Weltkrieges aus seinem Boheme-Leben aufgerüttelt, meldete er sich freiwillig bei den bayerischen Militärbehörden und wurde dem Reserve-Infanterie-Regiment 16 als Meldegänger zugeteilt. Im Lauf des Krieges erreichte er den Dienstgrad eines Gefreiten und wurde mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen ausgezeichnet.

Das Erlebnis des Krieges prägte Hitler entscheidend. Die militärische Hierarchie mit ihrer unbedingten Über- und Unterordnung setzte sich fort im Führerprinzip, die Erfahrung der Gemeinschaft wirkte auf Hitlers Auffassung von der „Volksgemeinschaft”, und die militärische Werteordnung steigerte sich bei Hitler bis zu einem asketischen Idealismus, der alles der „höheren Idee” opferte. Den Abschluss des Waffenstillstandes, von dem Hitler, vorübergehend durch Giftgas erblindet, im November 1918 in einem Lazarett in Pommern erfuhr, verstand er – einer verbreiteten Meinung entsprechend – als Dolchstoß von Juden und Marxisten.

3  DER POLITISCHE AUFSTIEG

Nach dem Krieg blieb Hitler zunächst in der Reichswehr, die ihn zur nationalistischen Schulung der Soldaten und als politischen Informanten einsetzte; die kurzlebige Münchner Räterepublik (April 1919) beobachtete er von der Kaserne aus. In seiner Funktion als Informant der Münchener Reichswehrführung besuchte er im September 1919 eine Versammlung einer extrem antisemitischen kleinen Rechtspartei, der Deutschen Arbeiterpartei (DAP). Wenig später wurde er aufgrund seiner agitatorischen Fähigkeiten in die DAP aufgenommen und entwickelte sich rasch zu ihrem Versammlungsredner und Propagandachef.

Im Februar 1920 benannte sich die DAP in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) um. In der Folge wirkte Hitler als „Trommler” der Partei und formte sie innerhalb kurzer Zeit zur „Hitlerbewegung” um. Auf zahlreichen Kundgebungen und Massenversammlungen agitierte Hitler demagogisch geschickt gegen den Versailler Vertrag und gegen die junge Weimarer Republik und verschaffte damit seiner Partei eine große Anhängerschaft. Am 29. Juli 1921 wurde er zum Vorsitzenden der NSDAP gewählt; er erhielt diktatorische Vollmachten, womit die Partei seinen Vorstellungen von politischer Führung entsprach.

Am 1./2. September 1923 gründete Hitler, der in völkischen Kreisen in Bayern bereits über großen Einfluss verfügte, zusammen mit Erich Ludendorff aus verschiedenen rechtsradikalen Gruppierungen in Nürnberg den Deutschen Kampfbund. An der Spitze dieses Bundes unternahm Hitler am 8. November 1923 den Versuch, die Macht in Bayern an sich zu reißen und dann durch einen Marsch auf Berlin die Reichsregierung zu stürzen (siehe Hitler-Putsch). Die erhoffte Unterstützung seitens der gleichgesinnten bayerischen Regierung unter Ritter von Kahr blieb jedoch aus; der Putsch wurde im Gegenteil von der Staatsgewalt vor der Münchner Feldherrnhalle niedergeschlagen. Die NSDAP und ihr Presseorgan, der Völkische Beobachter, wurden verboten. Den folgenden Hochverratsprozess (26. Februar bis 1. April 1924) verstand Hitler in einen Propagandafeldzug für sich und seine Partei zu verkehren. Das Urteil vom 1. April lautete auf fünf Jahre Festungshaft, aber bereits am 20. Dezember 1924 wurde Hitler aus der Festung Landsberg am Lech vorzeitig wieder entlassen.

In der Haft verfasste Hitler – unter der Mithilfe von Rudolf Heß – den ersten Band seiner programmatischen Schrift Mein Kampf (erschienen am 18. Juli 1925). Bereits hier sowie im Ende 1926 konzipierten zweiten Band formulierte Hitler seine zentralen Ziele und Auffassungen: Radikaler Antisemitismus und Antibolschewismus sowie die Schaffung von Lebensraum im Osten. Mein Kampf erreichte bereits vor 1933 sehr hohe Auflagen; die darin enthaltenen Zielvorstellungen Hitlers wurden jedoch von der Öffentlichkeit stark unterschätzt.

Am 26. Februar 1925 übernahm Hitler die Führung der nach ihrem Verbot wiedergegründeten NSDAP und baute sukzessive seine Führungsposition in der Partei aus. 1929, in Verbindung mit dem Volksbegehren gegen den Youngplan, intensivierte er die Zusammenarbeit mit anderen rechten Kräften, u. a. mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) Alfred Hugenbergs; durch diese Verbindung mit etablierten Kräften gewannen Hitler und die NSDAP bei der Rechten deutlich an Prestige.

Die Reichstagswahlen vom 14. September 1930 bedeuteten einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Machtergreifung: Die NSDAP gewann 18,2 Prozent der Stimmen und 107 der 577 Reichstagssitze. Einen Tag nach der Wahl erklärte Hitler, dass ihm eines Tages die Macht von selbst zufallen werde, und zwar auf legalem Weg. Am 11. Oktober 1931 schlossen sich NSDAP, DNVP und andere rechtsgerichtete Gruppen zur Harzburger Front zusammen, um die Opposition gegen die Regierung Brüning zu koordinieren; das Bündnis war zwar aufgrund der Differenzen zwischen den Parteiführern politisch wenig wirksam, machte aber Hitler durch seine neuerliche Verbindung mit Hugenberg für die Industrie interessant. Im März 1932 kandidierte Hitler bei den Reichspräsidentenwahlen, nachdem er zuvor durch seine Ernennung zum Regierungsrat in Braunschweig die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte. Im ersten Wahlgang unterlag er mit 30,23 Prozent der Stimmen, in zweiten Wahlgang mit 36,68 Prozent dem Amtsinhaber Paul von Hindenburg.

Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 wurde die NSDAP mit 37,4 Prozent der Stimmen stärkste Fraktion; ihren Erfolg verdankte sie nicht zuletzt der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise und dem allmählichen Zusammenbruch der Weimarer Republik; beides hatte die NSDAP propagandistisch verwertet. Eine Regierungsbeteiligung lehnte Hitler ab; er wollte selbst die Regierung übernehmen. Bei den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 verlor die NSDAP zwar über vier Prozent, blieb aber weiterhin stärkste Kraft, und am 30. Januar 1933 wurde Hitler, unterstützt vom ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen, vom Reichspräsidenten zum Reichskanzler ernannt. Hitler bildete aus NSDAP und DNVP ein „Kabinett der nationalen Konzentration”.

4  DAS NS-REGIME

Der Regierung Hitler gehörten zunächst nur drei Nationalsozialisten an – neben ihm selbst Hermann Göring und Wilhelm Frick; alle anderen Minister waren Deutschnationale bzw. parteilose Konservative. Dennoch gelang es Hitler innerhalb kurzer Zeit, die Verfassung auszuhöhlen und eine Diktatur zu errichten. Einen ersten Anlass bot der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933: Mit dem auf Hitlers Veranlassung vom Reichspräsidenten am 28. Februar erlassenen Gesetz zum Schutz von Volk und Reich wurden auf Dauer die in der Weimarer Verfassung garantierten Grundrechte außer Kraft gesetzt, und bereits in der Nacht zum 28. Februar setzte eine erste große Verhaftungswelle ein, der zunächst Kommunisten, dann auch die intellektuelle Linke sowie Sozialdemokraten und Anarchisten zum Opfer fielen, womit die stärkste oppositionelle Kraft in Deutschland ausgeschaltet war. Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, das so genannte Ermächtigungsgesetz, hob die Gewaltenteilung auf, d. h. überließ die Legislative der Exekutive, und schuf so zusammen mit der Reichstagsbrandverordnung die Grundlagen für den Aufbau eines autoritären, auf die Person Hitler ausgerichteten Herrschaftssystems. Gleichzeitig wurden von der SA die ersten Konzentrationslager zur Internierung politisch Missliebiger errichtet.

Um das NS-Regime im Sinn preußisch-deutscher Traditionen zu legitimieren und das Einvernehmen der konservativen Kräfte mit der NSDAP öffentlich zu untermauern, ließ Hitler am 21. März zur feierlichen Eröffnung des am 5. März neu gewählten Reichstages unter großem propagandistischem Aufwand den „Tag von Potsdam” veranstalten: Über dem Grab Friedrichs des Großen reichten sich Hitler und Hindenburg die Hand.

Nach der Beseitigung der Opposition im Reich schaltete Hitler im Rahmen des so genannten Röhm-Putsches am 30. Juni 1934 die innerparteiliche Opposition aus: Mit Hilfe von SS und Reichswehr ließ er in einer blutigen Mordaktion Ernst Röhm und andere führende SA-Männer sowie zahlreiche Gegner aus den eigenen Reihen beseitigen. Per Gesetz vom 3. Juli wurde die Mordaktion nachträglich als Staatsnotwehr für rechtmäßig erklärt. Die SA verlor nun ihren relativ selbständigen Status, die SS wurde Hitler direkt unterstellt.

Nach Hindenburgs Tod übernahm Hitler am 2. August 1934 auch das Amt des Reichspräsidenten und führte seither den Titel „Führer und Reichskanzler”; die Wehrmacht wurde nun auf seine Person als den „Obersten Befehlshaber der Wehrmacht” vereidigt.

Nach vollendeter Gleichschaltung der Länder, Organisationen und Parteien konzentrierte sich Hitler auf die Rassen- und die Außenpolitik. Mit den Nürnberger Gesetzen vom 15. September 1935 erhielten Diskriminierung und Verfolgung der Juden, die dann in der so genannten Reichskristallnacht vom 9. November 1938 erstmals eskalierten und in der so genannten „Endlösung” der Judenfrage gipfelten, eine juristische Grundlage.

Außenpolitisch strebte Hitler zunächst die Revision des Versailler Vertrags bzw. die Wiederherstellung der deutschen Machtposition an. Sein erster außenpolitischer Erfolg war die Rückkehr des Saarlandes zum Deutschen Reich nach einer Volksabstimmung im Januar 1935. Der aggressive Charakter der NS-Außenpolitik manifestierte sich wenig später in der Einführung der Wehrpflicht im Mai 1935 und der massiven Aufrüstung der Wehrmacht, womit die Regierung klar gegen den Versailler Vertrag verstieß, sowie in der militärischen Besetzung des entmilitarisierten Rheinlandes am 7. März 1936, die unter Verletzung des Locarnopaktes geschah.

Im Oktober 1936 trat der Vierjahresplan in Kraft, dessen Ziel die Einsatzfähigkeit der deutschen Armee und die Kriegsfähigkeit der deutschen Wirtschaft innerhalb von vier Jahren war – d. h. Hitler bereitete spätestens seit 1936 unverhüllt den Krieg vor. 1936 griff Hitler auf Francos Seite in den Spanischen Bürgerkrieg ein, und Ende 1936 wurde die Achse Berlin-Rom zwischen dem faschistischen Italien unter Benito Mussolini und dem nationalsozialistischen Deutschland errichtet.

Am 5. November 1937 formulierte Hitler vor hohen Wehrmachtsoffizieren seine Risikopolitik und konkretisierte seine außenpolitischen Pläne, die alle auf die Schaffung von Lebensraum in Europa ausgerichtet waren. Erstes Ziel dabei war die Niederwerfung Österreichs und der Tschechoslowakei. Mit seinen Plänen forderte Hitler jedoch den Widerspruch u. a. des Reichskriegsministers Werner von Blomberg und des Oberbefehlshabers des Heeres Werner von Fritsch heraus, die er beide aus zweifelhaften Gründen Anfang 1938 entließ. Am 4. Februar 1938 übernahm Hitler selbst als Chef des neu geschaffenen „Oberkommandos der Wehrmacht” (OKW) den Oberbefehl über das Militär.

Trotz ihrer Aggressivität verhalf seine Außen-, in Teilen auch seine Innenpolitik Hitler sogar im Ausland zu Anerkennung, und wegen ihrer Aggressivität veranlasste sie die europäischen Mächte, allen voran Großbritannien, zu einer Politik des Appeasement, der Beschwichtigung, gegenüber Deutschland. So konnte Hitler, ungehindert von den europäischen Mächten, am 12. März 1938 den Anschluss Österreichs erzwingen und am 29. September 1938 im Münchner Abkommen die Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland erreichen. Am 15. März 1939 ließ Hitler unter Bruch des Münchner Abkommens Böhmen und Mähren besetzen und proklamierte das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren. Damit hatte er klar die Grenze seines bislang revisionistischen, scheinbar nur auf die Eingliederung deutsch besiedelter Gebiete in das Reich ausgerichteten Kurses überschritten und war nun offen zu einer imperialistischen Expansionspolitik übergegangen.

Zur Absicherung seiner Expansionspolitik schloss Hitler am 22. Mai 1939 mit Mussolini ein Militärbündnis, den Stahlpakt, und am 23. August 1939 überraschend einen Nichtangriffspakt mit Stalin, den Hitler-Stalin-Pakt, mit dem zugleich in einem geheimen Zusatzabkommen Ostmitteleuropa in ein deutsches und ein sowjetisches Interessengebiet aufgeteilt wurde. Am 1. September 1939 griff Hitler Polen an und löste damit den 2. Weltkrieg aus. Sein Ziel war die Schaffung von „Lebensraum” im Osten, die Vorherrschaft nicht nur in Europa, sondern in der Welt sowie die „Lösung der Judenfrage” in den deutsch kontrollierten Gebieten; bereits am 31. Januar 1939 hatte Hitler in einer Reichstagsrede „die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa” im Rahmen eines Weltkrieges angekündigt.

5  DER 2. WELTKRIEG

Mit seinen militärisch erfolgreichen „Blitzkriegen” gegen Polen (1. September 1939), Dänemark und Norwegen (9. April 1940) sowie die Niederlande, Belgien und Frankreich (10. Mai 1940) zog Hitler auch zunächst noch zögerliche oder gar opponierende hohe deutsche Militärs auf seine Seite.

Im Zuge seiner Vorbereitung eines Angriffs auf die Sowjetunion erließ Hitler am 13. März 1941 eine OKW-Weisung zur Aufstellung von Einsatzgruppen und am 6. Juni 1941 den so genannten „Kommissar-Befehl” zur Behandlung der politischen Kommissare der Roten Armee. Beide Befehle legten Hitlers Absichten im Osten offen: Er plante unter Missachtung aller völkerrechtlichen Übereinkünfte einen rassischen und ideologischen Vernichtungskrieg. Ohne auf nennenswerten Widerspruch seitens seiner Generäle zu stoßen, ließ Hitler am 22. Juni 1941 die Sowjetunion angreifen. Im Gefolge der Wehrmacht kamen der SS unterstellte Einsatzgruppen in den Osten, die in den besetzten Gebieten sogleich mit der systematischen Vernichtung der Juden, Sinti und Roma und anderer rassisch und politisch unerwünschter Gruppen begannen.

Am 16. Juli 1941, bereits vom greifbaren Sieg über die Sowjetunion überzeugt, legte Hitler vor hohen deutschen Militärs und Politikern die zukünftige Verwaltungs- und Wirtschaftsstruktur im Osten dar, und wenige Tage später erklärte er offen, dass er die Juden aus Europa entfernen wolle. Als der deutsche Vormarsch im Spätherbst ins Stocken geriet, übernahm Hitler, der sich in der Anfangsphase des Krieges nur mit der allgemeinen militärischen Planung befasst hatte, am 19. Dezember 1941 selbst den Oberbefehl über das Heer und bestimmte nun immer mehr auch die einzelnen militärischen Operationen. Für den Osten erließ er den Befehl, die Front zu stabilisieren und unter allen Umständen zu halten.

Inzwischen hatten nach dem Überfall auf Pearl Harbor die USA am 8. Dezember 1941 Japan den Krieg erklärt, woraufhin Deutschland, seit 1940 mit Japan im Dreimächtepakt verbündet, in völliger Fehleinschätzung der militärischen Stärke der USA am 11. Dezember 1941 den USA den Krieg erklärte; damit suchte Hitler eine Niederlage Japans und eine Konzentration der US-amerikanischen Kriegsführung auf Deutschland zu verhindern, um seinen Sieg in der Sowjetunion vollenden zu können.

Nach einigen Offensiverfolgen im Frühjahr/Sommer 1942 begann sich ab Ende 1942/Anfang 1943 eine deutsche Niederlage immer deutlicher abzuzeichnen, besonders seit der Niederlage bei Stalingrad im Februar 1943; Hitler hatte gemäß seinem Befehl, die Front zu halten, einen Ausbruch oder die Kapitulation der in Stalingrad eingeschlossenen deutschen Truppen verboten. Seither schottete sich Hitler angesichts der bedenklichen militärischen Lage in seinem Führerhauptquartier „Wolfsschanze” in Ostpreußen immer stärker von der Außenwelt und der Realität ab. Er ließ den Krieg und seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Juden fanatisch und ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung weiterführen, in der Hoffnung, dass sich das Schicksal noch wenden würde.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 ließ Hitler, seit 1942 auch „oberster Gerichtsherr”, die Widerständler mit Hilfe des Volksgerichtshofes brutal vernichten und intensivierte nochmals den innenpolitischen Terror. Am 19. März 1945, nachdem die Alliierten bis nach Deutschland vorgedrungen waren, ordnete er mit dem so genannten „Nero-Befehl” die Zerstörung aller lebenswichtigen Produktionsanlagen an; seiner Auffassung nach war das deutsche Volk gescheitert und hatte sein Existenzrecht verwirkt.

Am 29. April 1945 ernannte Hitler Admiral Karl Dönitz zu seinem Nachfolger und legte sein politisches Testament nieder, in dem er nochmals die Notwendigkeit der Vernichtung der europäischen Juden betonte. Am 30. April – die Rote Armee stand bereits in Berlin – nahm er sich zusammen mit seiner Lebensgefährtin Eva Braun, die er am Tag zuvor geheiratet hatte, im Führerbunker der Reichskanzlei in Berlin das Leben.


Verfasst von:
Mechthild Weißer

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Lafontaine, Oskar
Lafontaine, Oskar (*1943), Politiker, Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998), Vorsitzender der SPD (1995-1999) und Bundesfinanzminister (Oktober 1998 bis März 1999).

Lafontaine wurde am 16. September 1943 als Sohn eines Handwerkers in Saarlouis geboren und studierte zwischen 1962 und 1969 Physik in Bonn und Saarbrücken. 1966 wurde er Mitglied der SPD, in der er rasch aufstieg: Nach einer Karriere bei den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, kam er 1968 in den Landesvorstand der Saar-SPD, 1970 folgte ein Mandat in den Landtag, 1974 das Bürgermeisteramt von Saarbrücken (1976-1985 Oberbürgermeister). Darüber hinaus übernahm Lafontaine 1977 den Landesvorsitz der saarländischen SPD, den er bis 1996 innehatte. 1979 kam er in den Bundesparteivorstand.

Anfang der achtziger Jahre brachte Lafontaine sein striktes Nein zu Nachrüstung und Atomkraft in Konfrontation mit der Parteispitze um Bundeskanzler Helmut Schmidt. Auch als Gegner des NATO-Doppelbeschlusses ging er auf Konfrontationskurs. Am 9. April 1985 stieg Lafontaine zum Ministerpräsidenten des Saarlandes auf. Noch im gleichen Jahr sprach sich der von Friedrich Dürrenmatt als „Weltinnenminister” bezeichnete Politiker bei einem DDR-Besuch für eine Anerkennung des Staates aus, um das innerdeutsche Klima zu verbessern. 1987 wurde er neben Hans-Jochen Vogel stellvertretender Parteivorsitzender. An der Ausarbeitung des 1989 verabschiedeten neuen Parteiprogramms, das, marktwirtschaftlich orientiert, das Godesberger Programm ablöste, war er maßgeblich beteiligt. Auch in Fragen der Asylpolitik und der Arbeitszeitregelung sowie durch seine kritische Haltung gegenüber einer überschnellen Wiedervereinigung löste er innerparteiliche und innenpolitische Debatten aus.

1990 war Lafontaine Spitzenkandidat der SPD im Kanzlerwahlkampf, wobei er bei einem seiner Auftritte von einer Attentäterin schwer verletzt wurde. Die Wahl brachte der SPD mit 33,5 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis seit 1957. Lafontaine selbst gewann erst zwischen 1992 und 1993 politisch an Einfluss zurück. Nach einer begeistert aufgenommenen Rede über Außen- und Wirtschaftspolitik auf dem Mannheimer SPD-Bundesparteitag im November 1995 entschloss er sich überraschend, gegen Rudolf Scharping zu kandidieren, der das Amt des Parteivorsitzenden an ihn abgeben musste. In der Folge wurde Lafontaine neben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder als potentieller Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahlen im September 1998 gehandelt; eine definitive Entscheidung behielt sich die SPD-Führung jedoch vor und machte sie vom Abschneiden Schröders bei der Landtagswahl in Niedersachsen am 1. März 1998 abhängig. Nach dem überragenden Erfolg der SPD bei der Niedersachsen-Wahl empfahl Lafontaine noch am Wahlabend seiner Partei Gerhard Schröder als Kanzlerkandidaten; der SPD-Parteitag im April 1998 bestätigte Lafontaines Empfehlung.

Nach dem Wahlsieg der SPD im September 1998 wechselte Lafontaine als Finanzminister in die rotgrüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, als der er das Finanzministerium umstrukturierte und um einige Kompetenzen aus dem Wirtschaftsministerium erweiterte. Sein Nachfolger als saarländischer Ministerpräsident wurde Reinhard Klimmt. Eine seiner ersten Leistungen war die Verabschiedung einer Steuerreform, die vor allem die unteren und mittleren Einkommen entlastete.

Am 11. März 1999 trat Lafontaine völlig überraschend als Bundesfinanzminister und als Parteivorsitzender zurück, legte sein Bundestagsmandat nieder und erklärte seinen Rückzug aus der Politik. Als Grund für seinen Rücktritt gab er das „schlechte Mannschaftsspiel” innerhalb der Bundesregierung an; Vermutungen, er sei aus Verärgerung über den seitens des Bundeskanzleramtes geäußerten, in die Öffentlichkeit getragenen Vorwurf der Wirtschaftsfeindlichkeit seiner Steuerpolitik zurückgetreten, widersprach Lafontaine nicht. Den Parteivorsitz übernahm Gerhard Schröder (bis zu seiner formellen Wahl am 12. April 1999 zunächst kommissarisch), das Finanzministerium wurde interimistisch vom Wirtschaftsminister Werner Müller geleitet, bis am 12. April 1999 Hans Eichel als neuer Finanzminister vereidigt wurde.

Im September 1999, ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt, nahm Lafontaine erstmals ausführlicher zu seinem Rückzug aus allen politischen Ämtern Stellung. Im Wesentlichen begründete er seinen Schritt mit der fehlenden Übereinstimmung zwischen ihm und Gerhard Schröder in Politikstil und -inhalten; die verheerenden Niederlagen der SPD bei den vorangegangenen Landtagswahlen bezeichnete er als zwangsläufige und vorhersehbare Konsequenz aus der Regierungspolitik, wie sie seit seinem Rücktritt praktiziert wurde. Seine Kritik an der Regierungspolitik und Gerhard Schröder stieß in der SPD auf einmütige Ablehnung. Im Oktober 1999 erschien Lafontaines mit Spannung erwartetes Buch Das Herz schlägt links, das im Vorfeld von den Medien als Abrechnung mit der Regierungspolitik und insbesondere der Person Gerhard Schröder lanciert worden war, sich bei Veröffentlichung aber im Wesentlichen als Standortbestimmung der deutschen wie der europäischen Sozialdemokratie herausstellte.


Verfasst von:
Roland Detsch

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Fischer, Joseph (Joschka)

---------------------Aktualisiert am 05.11.2002------------------------

Fischer, Joseph (Joschka), (*1948), deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen), Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland (seit 1998).

Fischer wurde am 12. April 1948 als Sohn ungarndeutscher Eltern in Langenburg geboren. Nachdem er das Gymnasium ohne Abschluss verlassen hatte, engagierte er sich ab Ende der sechziger Jahre in der Studentenbewegung und gehörte bis 1975 der Gruppe „Revolutionärer Kampf” an, die auch mit militanten Aktionen wie z. B. Hausbesetzungen hervortrat. Später wandte er sich der Umweltpolitik zu und trat 1980 der neu gegründeten Partei „Die Grünen” bei, die er ab 1983 im Deutschen Bundestag vertrat. Im Oktober 1985 wechselte er als Minister für Umwelt und Energie in die rotgrüne Landesregierung von Hessen und war damit der erste Grüne in einem Ministeramt. Im Februar 1987 entließ der hessische Ministerpräsident Holger Börner Fischer aufgrund unüberbrückbarer Differenzen in energiepolitischen Fragen jedoch wieder. Von 1991 bis 1994 war Fischer erneut Minister für Umwelt und Energie in Hessen, ab 1994 wieder Mitglied des Bundestages sowie Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Fischer gehört dem realpolitischen Flügel der Grünen an und setzte sich vor allem für den Abbau der Arbeitslosigkeit, den ökologischen Umbau der Wirtschaft und eine Wende in der Energiepolitik ein.

Nach dem Sieg der SPD bei den Bundestagswahlen im September 1998 und dem erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde Fischer als Außenminister vereidigt. Zugleich übernahm er als Exponent des Juniorpartners in der rotgrünen Koalition das Amt des Vizekanzlers unter Bundeskanzler Gerhard Schröder. Fischer sagte sowohl gegenüber der Opposition im eigenen Land als auch vor allem gegenüber dem Ausland Kontinuität in der deutschen Außenpolitik zu; seine Anregung, dass die NATO ihre Atomwaffen-Ersteinsatz-Doktrin überdenken und gegebenenfalls zur Disposition stellen solle, stieß allerdings auf strikte Ablehnung bei den Bündnispartnern.

Fischers bedingungslose Unterstützung des NATO-Militäreinsatzes gegen Jugoslawien im Kosovo-Konflikt am März 1999 bedeutete für die im Grundsatz ursprünglich pazifistischen Grünen eine schwere Belastungsprobe; schließlich aber stimmte die Parteimehrheit der Regierungspolitik und insbesondere Fischers Friedensplan zu. Eine weitere parteiinterne Auseinandersetzung löste Fischer mit seiner Forderung nach einer Reform der Partei aus, u. a. der Forderung nach einer Straffung der Parteispitze und ihrer Umformung nach dem Vorbild der großen Volksparteien wie etwa der SPD; die Partei lehnte jedoch in ihrer Mehrheit eine Umstrukturierung der Parteispitze ab. Auf dem Parteitag der Grünen im Juni 2000 wurde Fischer in den Parteirat gewählt und übernahm damit erstmals eine offizielle Funktion in einem der Führungsgremien der Partei.

Ende 2000 holte Fischer seine Vergangenheit in der Frankfurter Spontiszene der sechziger und siebziger Jahre ein bzw. wurde von der Opposition und einigen Medien gegen ihn instrumentalisiert. Dabei standen die Fragen im Vordergrund, ob Fischer während dieser Zeit zu Gewalt gegen die Staatsmacht aufgerufen bzw. selbst Gewalt angewendet habe und ob bzw. in welchem Umfang Fischer Kontakt zur Terroristenszene gehabt habe. In puncto Gewalt bekannte sich Fischer dazu, auch an Prügeleien mit Polizisten beteiligt gewesen zu sein, beharrte aber darauf, nie Molotowcocktails oder Waffen benutzt zu haben. Er entschuldigte sich für seine Gewalttätigkeit und bezeichnete sie als schweren Fehler. Die Frage nach seinen Kontakten zur Terroristenszene reduzierten sich bald auf die Frage nach seinen Kontakten zu der späteren RAF-Terroristin Margrit Schiller und auf das Ergebnis, dass er 1973 nicht mit ihr zusammengewohnt, wie ihm vorgehalten wurde, sondern allenfalls einmal mit ihr gefrühstückt habe, wie er selbst erklärte. Und schließlich wurde noch Fischers Teilnahme an einer PLO-Konferenz 1969 in Algier ins Spiel gebracht und die Frage aufgeworfen, wie lange er an der Konferenz teilgenommen habe und ob er auch die Schlusserklärung, in der von dem Endsieg des palästinensischen Volkes die Rede war, unterstützt habe. Die Forderungen der Opposition nach dem Rücktritt Fischers verliefen sich ebenso ins Leere wie die Forderungen nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Vergangenheit Fischers sowie eine parlamentarische Fragestunde, die im März 2001 zum selben Thema abgehalten wurde. Partei und Regierung hielten vorbehaltlos an Fischer fest.

Während Fischer nach seinem Antrittsbesuch bei dem neuen US-Präsidenten George W. Bush im Februar 2001 erneut in der eigenen Partei heftig in die Kritik geriet – er hatte sich verständnisvoll zu dem kurz zuvor erfolgten Militärschlag der USA gegen den Irak geäußert –, erwarb er sich während einer Nahostreise Anfang Juni 2001 nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch international großes Ansehen: Als am 1. Juni 2001 bei einem Selbstmordanschlag eines Hamas-Aktivisten in Tel Aviv 19 Israelis getötet und über hundert verletzt worden waren, gelang es ihm, Israel von einem Vergeltungsschlag abzubringen und Palästinenserpräsident Arafat zur Ausrufung eines Waffenstillstands für die palästinensischen Gebiete zu bewegen. Während einer neuerlichen Vermittlungsreise in den Nahen Osten erreichte Fischer im August 2001 die Zusage Arafats und des israelischen Außenministers Peres, sich zu einem Gespräch zu treffen, das die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen in die Wege leiten sollte; das Treffen kam dann jedoch aufgrund einer neuen Welle der Gewalt im Nahen Osten nicht zustande. Ein dritter Vermittlungsversuch Fischers, mit Zustimmung der USA und im Auftrag der EU Ende Oktober 2001 unternommen, blieb dagegen ohne erkennbares Ergebnis.

Nach den Terroranschlägen auf Ziele in den USA am 11. September 2001 bekundete Fischer zusammen mit Bundeskanzler Schröder die unbedingte Solidarität der Bundesrepublik mit den USA und sagte den USA den Beistand der Bundesrepublik im Kampf gegen den Terrorismus zu. Nach Beginn der Militärschläge der USA und Großbritanniens am 7. Oktober 2001 gegen Stellungen des Taliban-Regimes in Afghanistan, das dem mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge, Osama bin Laden, Schutz gewährte, geriet Fischer, wie ähnlich schon während des Kosovo-Konflikts, wieder in Konfrontation mit Teilen seiner Partei: Während er bedingungslos für eine Fortsetzung der Militäraktionen gegen das Taliban-Regime plädierte, forderten Teile der Grünen zumindest eine Feuerpause, um den Hunderttausenden Afghanen, die sich unter katastrophalen Umständen auf der Flucht oder in Lagern befanden, die dringend benötigte humanitäre Hilfe zukommen lassen zu können, bzw. sie lehnten den Krieg als Mittel gegen den Terrorismus grundsätzlich ab. Fischer argumentierte, dass man, um die humanitäre Katastrophe in Afghanistan bewältigen zu können, andere politische Verhältnisse herbeiführen müsse.

Der Konflikt zwischen Fischer und der Partei- und Fraktionsführung auf der einen, Teilen der Partei auf der anderen Seite verschärfte sich noch im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag über die Entsendung deutscher Soldaten in den von den USA geführten Antiterrorkrieg. Einige Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen verweigerten die Zustimmung zu einem deutschen Militärbeitrag und gefährdeten damit eine eigene Mehrheit der Regierungsfraktionen in der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz sowie den Fortbestand der Regierungskoalition. Die Rücktrittsdrohung Fischers sowie harte Auseinandersetzungen innerhalb von Fraktion und Partei bewogen dann jedoch einige der Kriegsgegner zum Umdenken, so dass in der Abstimmung am 16. November 2001 über den deutschen Militärbeitrag, die Bundeskanzler Schröder mit der Vertrauensfrage verbunden hatte, eine wenn auch knappe Mehrheit der Regierungsfraktion für den Bundeswehreinsatz und für Schröder zustande kam. Der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen eine Woche später, auf dem Fischer erneut nachdrücklich für die Zustimmung zu der Entsendung deutscher Soldaten in den Antiterrorkrieg warb und wieder mit seinem Rücktritt drohte für den Fall einer Ablehnung, bestätigte überraschend deutlich den von der Fraktion im Rahmen der Vertrauensabstimmung vorgegebenen Kurs und damit die rotgrüne Bundesregierung einschließlich ihres Außenministers Fischer.

Im Januar 2002 nominierte der Parteirat von Bündnis 90/Die Grünen Fischer zum Spitzenkandidaten der Partei für die Bundestagswahlen im September 2002. Damit zogen die Grünen erstmals in ihrer Geschichte formell mit einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf.

Auf zwei weiteren Nahost-Reisen im Februar und Mai 2002 bemühte sich Fischer nachdrücklich um die Wiederaufnahme des israelisch-palästinensischen Dialogs. Aber obwohl auch diese beiden Reisen wieder keine konkreten Ergebnisse brachten, stieß sein Engagement sowohl bei der EU und den USA, als auch bei Israelis und Palästinensern auf positive Resonanz. In Anerkennung seiner Bemühungen wurde Fischer im Mai 2002 von der Universität Haifa mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. In der Irak-Frage jedoch, in der die USA ab dem Sommer eine immer härtere Linie verfolgten und offen mit Krieg drohten, stellte sich Fischer ebenso wie Bundeskanzler Schröder gegen die USA und lehnte einen Krieg gegen den Irak bzw. eine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak klar ab, was für erhebliche Störungen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen sorgte.

Bei den Bundestagswahlen am 22. September 2002 erreichten die Grünen ihr bisher bestes Ergebnis bei Bundestagswahlen, was sie nicht zuletzt der breiten Akzeptanz ihres Spitzenkandidaten Fischer und seiner Außenpolitik verdankten. Mit ihrem guten Wahlergebnis trugen die Grünen maßgeblich dazu bei, dass die rotgrüne Koalition mit Fischer als Außenminister und Vizekanzler fortgesetzt werden konnte. Das Wahlergebnis stärkte auch Fischers Position gegenüber Bundeskanzler Schröder: Schröder scheiterte mit seinem Vorhaben, die Europapolitik vom Außenministerium in ein eigenes Europaministerium beim Bundeskanzleramt zu verlagern, am Widerstand Fischers. Fischer seinerseits weitete in seiner zweiten Amtszeit seine europapolitischen Aktivitäten aus, u. a. indem er im Oktober 2002 selbst den Platz des Vertreters der Bundesregierung im Europäischen Konvent einnahm.

Verfasst von:
Isa Schikorsky


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