Schwache laut! & Starke leise?   (zugehört)

Soeben bei n-tv-Maischberger, 03.06.2002, Uhr 17,15
Zu Gast:
Walter Jens, Rhetorikprofessor
Thema:
Biographisches, Bildungsdebatte, Fußball.

 
--
(Zitate nur sinngemäß und ohne Gewähr. Protokollierung nur nach Interessenlage und zeitlicher Möglichkeit von C.Elmar Schulte-Schulenberg. Oder: „Omne quod recipitur – ad modum recipientis recipitur.“ )
--
SM Sandra Maischberger
J      Walter Jens.
 

START
 

SM
Ihre Wahrheit liegt (bei Ihnen) links?
J
Ja,
weil ich als Anwalt der Moral darauf sehe, dass in unserem Lande Chancengleichheit besteht.

SM
Stoibers Straußzitat gegen die Linken: „Ratten u. Schmeißfliegen“ rhetorisch fähig?
J
Unfähig.

SM
Aktuelle Wahlrede Stoibers rhetorisch akzeptabel? (Einspielung)
J
Ich habe selten und mit Beklemmung so viele Plattitüden vernommen!
Stoiber ist bei dieser Einspielung extrem unangemessen.
Von den Rechten konnte Strauß rhetorisch brillieren.

SM
„Vernünftig“ Stoibers (neues) Lieblingswort. Was ist das?
J
Wenn man diese Formel „vernünftig“ anwendet, ist sie vielseitig.

SM
Stoiber & Schröder: Rechts-links-unklarheit?
J
Es muss vom Inhalt her exploriert werden. Schröder ist unendlich fähiger.

SM
Westerwelle?   (Einspielung)   „Andere reden – ich handele.“
J
Nicht gut.
Luther – abgewandelt: „Hier stehe ich – ich kann auch anders.“
Der Mann hat nichts zu sagen.

SM
Westerwelle unbeschadet?
J
Nein.
Höchsten deshalb (u. nur scheinbar), weil CDU ihn braucht. (Antisemitismus – egal)
Westerwelle hat seine Position durch pure Unmoralität beschädigt.

SM
Haider-Rhetorik  („SS-Kameradschaft“, - „Ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis etc. etc.) erinnert an Möllemann?
J
Nein.
Möllemann rhetorisch nicht so fähig wie Haider.

SM
Sind Sie politisch in Deutschland zu Hause?
J
Nein.  (Aber ich liebe die Sprache)
„Ich liebe nicht Deutschland, - ich liebe meine Frau.“
Ich bin Weltbürger.
 

Bleiben Sie bei uns.  ;-)
   Werbe-PAUSE


SM
Kein Soldat gewesen, weil Asthmaleiden?
J
Ja. Ich bin für diese Krankheit unendlich dankbar.

SM
Als Junge wurden Ihnen 30 Lebensjahre prognosziert?
J
Ja.
Durch meine radikale Beschränkung habe ich überlebt.

SM
Fußballliebe, weil Sie nie praktisch selber spielen konnten?
J
Im Strafraum habe auch ich verteidigt.
Parallelen zu Politik und Fußball auffällig.

SM
(Trägt interessante Vergleiche aus dem Fußballmilieu vor.)
J
(Kommentiert reich mit philosophischen Argumenten.)

SM
Zustand unseres Landes 2002?
J
Unsere Mannschaft hat bisher gegen schwache Gegner gespielt. Die starken kommen noch.
DDR hat viele Medaillen gewonnen aber eine schlechte Politik gemacht.
Ergo: Es kommt nicht auf die Medaillen an.

SM
Warum Ihr Interesse an Fußball, - wo dort doch Vulgärsprache üblich?
J
„Genialität“ ist hier weniger als „unvergesslich“ geeignet.

SM
Unser Land und das "Pisaniveau"?
J
Unser Land ist mittelmäßig, „wacker“. Das ist günstig(er).

SM
Deutsche Länder im Vergleich?
J
Integration – ist die Hauptsache, - wie in Skandinavien.
Wir sollten wieder das Land der Dichter und Denker werden, - dort mehr Geld investieren, als in Rüstung etc.

SM
Denk, - Lese, -Sprachfähigkeit, - Pisakriterien bei uns?
J
Auf der „Schule der Begabtesten“ sollten viel von denen sein, die wir jetzt verschleudern. Wir verschleudern jetzt Begabungen.
Ich möchte die, welche z.B. als Ausländer unterprivilegiert leben, dorthin gefördert sehen. Es muss jene Schule gefördert werden, die Freude macht.

SM
Beide Söhne sind zum Fernsehen gegangen. Dort aber keine Sprache. Wieso also?
J
Mein Beruf sind meine Ferien. So sollen auch meine Kinder leben können.

SM
Ich danke für dieses Gespräch, Herr Professor Jens!
J
Ich danke auch, gnädige Frau.  ;-)

END
 

Bye!
charly1
( Carl-Elmar Schulte-Schulenberg )
 

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Jens, Walter, Pseudonyme Walter Freiburger und Momos, (*1923), Schriftsteller, Kritiker und Literaturwissenschaftler. Er ist einer der herausragenden Essayisten der deutschen Literatur nach 1945.

Jens wurde am 8. März 1923 in Hamburg geboren. Zwischen 1941 und 1945 studierte er Germanistik und Klassische Philologie in Hamburg und Freiburg im Breisgau, u. a. bei Martin Heidegger, und promovierte über die Tragödien des Sophokles. Nach seiner Habilitation über Tacitus (1949) kam er 1950 als Mitglied zur Gruppe 47. 1956 wurde Jens Professor für Klassische Philologie in Tübingen. 1963 richtete die dortige Universität eigens für ihn einen Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik ein. Ein Jahr später übernahm Jens eine Gastprofessur in Stockholm. Zwischen 1976 und 1982 war er Präsident des PEN-Zentrums der Bundesrepublik, danach Ehrenpräsident. Von 1989 bis 1997 war Jens Präsident der Berliner Akademie der Künste (sein 1992 unterbreiteter Vorschlag, nach deren Auflösung die Mitglieder der Ostberliner Akademie „en bloc” zu übernehmen, löste unter westdeutschen Schriftstellern eine heftige Debatte aus). Außerdem ist er ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Unter anderem erhielt Jens den Deutschen Jugendbuchpreis (1959), den Lessing-Preis (1968), den Adolf-Grimme-Preis (1984), den alternativen Georg-Büchner-Preis (1989) und den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik (1990).

Bekannt wurde Jens durch seine profunden Kommentare zum kulturellen Zeitgeschehen, die in Funk und Fernsehen sowie in Zeitschriften erschienen. Bereits in jungen Jahren entstand eine Anzahl literarischer Arbeiten, darunter die Erzählung Das weiße Taschentuch (1947) und der Roman Nein. Die Welt des Angeklagten (1950). Dabei griff Jens immer wieder, wie etwa in der Erzählung Das Testament des Odysseus (1957), auf antike Themen zurück. Daneben schrieb er literaturtheoretische Abhandlungen (Statt einer Literaturgeschichte, 1957) sowie Fernsehkritiken, vor allem in der Wochenzeitung Die Zeit. Bedeutsam sind seine Fernsehspiele Die rote Rosa (1966) und Die Verschwörung (1969). In den siebziger und achtziger Jahren trat Jens auch als wortgewaltiger und häufig geladener Gastredner in Erscheinung (Eine deutsche Universität. 500 Jahre Tübinger Gelehrtenrepublik, 1977, Ort der Handlung ist Deutschland, 1981). In den achtziger Jahren publizierte er außerdem Der Untergang. Nach den Troerinnen des Euripides (1982), Die Friedensfrau. Nach der Lysistrate des Aristophanes (1986) und Anfang und Ende. Die Offenbarung des Johannes (1987). Weitere Werke sind Der Blinde (1951), Der Mann, der nicht alt werden wollte (1955), Die Götter sind sterblich (1959), Herr Meister. Dialog über einen Roman (1963), Von deutscher Rede (1969), Der Ausbruch (1974), Republikanische Reden (1976), In Sachen Lessing (1983), Kanzel und Katheder (1984), Momos am Bildschirm: 1973-1983 (1984), Roccos Erzählung (1985), Mythen der Dichter. Vier Diskurse (1992), Einspruch. Gegen Vorurteile (1992), Zeichen des Kreuzes. Vier Monologe (1994) und Vergangenheit gegenwärtig. Biographische Skizzen (1994, zusammen mit Inge Jens). Zu den Evangelien verfasste Jens außerdem Die Zeit ist erfüllt. Die Stunde ist da (1990), Am Anfang der Stall, am Ende der Galgen (1991, mit HAP Grieshaber), Und ein Gebot ging aus (1991) sowie Am Anfang: Das Wort (1992). Mit Hans Küng publizierte Jens u. a. Dichtung und Religion (1985), Anwälte der Humanität. Thomas Mann, Hermann Hesse, Heinrich Böll (1989) und Menschenwürdig sterben (1994). Zudem ist er Herausgeber von Kindlers Neuem Literaturlexikon (20 Bde., 1988-1992). Als Übersetzer besorgte er Neuübertragungen biblischer Texte: Das A und das O: Offenbarung des Johannes (1987), Die vier Evangelien (1998) und Der Römerbrief (2000).
 

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